Die Erfassung und Wichtigkeit einer ausführlichen Anamnese
Jede homöopathische Behandlung beginnt mit einer sogenannten Anamnese, einer Fallaufnahme. Diese erscheint den erkrankten Personen oftmals als aufwendig und mühsam, da sie in der Regel längere Zeit in Anspruch nimmt. Die ausführliche und gründliche Fallaufnahme ist jedoch von enormer Wichtigkeit für eine erfolgreiche Behandlung. Warum dies so ist, möchte ich hier erläutern.
Dr. med. Samuel Hahnemann, der Erfinder der Homöopathie, welche bereits seit 200 Jahren besteht, schreibt in Paragraph 6 seines «Organon 6 der Heilkunst»:
Der vorurteilslose Beobachter nimmt an jeder einzelnen Krankheit, sei es eine akute oder chronische, nur Befindensänderungen an Körper und Seele, Krankheitszeichen, Zufälle und Symptome wahr, die durch die Sinne erkennbar sind. Das heisst es sind Abweichungen vom früheren gesunden Zustand des Kranken, die dieser selbst fühlt, welche die Umstehenden an ihm wahrnehmen und welche der Homöopath an ihm beobachtet. Diese wahrnehmbaren Zeichen verkörpern die Krankheit in ihrem ganzen Umfang.
Das heisst, der oder die Homöopath:in braucht für die Behandlung der erkrankten Person zuerst eine Anamnese, eine Fallaufnahme. Dabei werden alle Wahrnehmungen der erkrankten Person erfasst, es sind Abweichungen vom früheren gesunden Zustand des Kranken.
Bei einer akuten Erkrankung liegt der Fokus auf den aktuellen Beschwerden. Die erkrankte Person erzählt:
- unter welchen Einflüssen (z.B. Witterungen) die Beschwerden entstanden sind
- wodurch sie sich verbessern, oder verschlechtern (Modalitäten), z.B. Wärme oder Kälte.
- bei Schmerzen, welchen Charakter diese haben (stechend, brennend, pochend, usw.)
- Wie sich der Gemütszustand verändert hat: War die Person z.B. vorher noch gesellig und fröhlich, braucht sie jetzt Ruhe und möchte gerne alleine sein?
Die ausführliche Anamnese bei einer chronischen Erkrankung geht tiefer ins System. Die Patienten werden mit ihren Symptomen auf ihrer körperlichen, psychischen und sozialen Ebene gesamthaft erfasst. Der/die erfahrene Homöopath:in lässt die Patienten möglichst lange frei und offen über ihre Beschwerden sprechen, bevor strukturiert und mit offenen und zunehmend geschlossenen Fragen die Anamnese weitergeführt wird. Noch ausgeprägter als bei einer akuten Erkrankung versucht der/die Homöopath:in zu erkennen und zu verstehen, wie die erkrankte Person ihr Leiden empfindet und wie sie damit im Alltag umgeht.
Diese Anamnese dauert in den meisten Fällen ein bis zwei Stunden. Das Erfragen von äusseren Einflüssen, den so genannten Modalitäten, welche die Beschwerden verbessern oder verschlimmern, hilft bei der Fallanalyse, die einzelnen homöopathischen Mittel zusätzlich zu differenzieren.
In der Fallaufnahme hat sich dem/der Homöopath:in das Bild der Krankheit in der Gesamtheit der charakteristischen Symptome gezeigt. Das homöopathische Arzneimittel wird nun nicht bloss aufgrund einer Indikation wie z.B. «Grippe» verschrieben. Gemäss der Ähnlichkeitsregel vergleicht der/die Homöopath:in das erfasste Krankheitsbild mit den vielen bekannten Arzneimittelbildern und sucht dasjenige Heilmittel, das von seiner Wirkung her dem Zustand der erkrankten Person am ähnlichsten ist. Diese Informationen stammen aus den Arzneimittelprüfungen, toxikologischen Grundlagen und klinischen Erfahrungen.
Eine Übersicht über die Forschung, wissenschaftlichen Studien und Wirksamkeit der Homöopathie finden Sie unter https://hvs.ch/uebersicht-ueber-die-homoeopathieforschung/
Monika Unger-Horber, Homöopathin SHS